„Wenn im November der Wind die letzten Blätter aus den Bäumen treibt und die Pflanzen sich in die Erde zurückziehen, ist das Absterben der Natur unverkennbar. Doch wir wissen, die Vegetation stirbt nicht unwiederbringlich. Die ersten warmen Sonnenstrahlen im Frühjahr werden sie zu neuem Leben erwecken.“
An der Loburg ist es Tradition, dass wir an einem der ersten Schultage im November das Loburger Totengedenken mit einem Gottesdienst begehen. Dazu machen sich ca. 1.000 Loburger Schüler/innen und Mitarbeiter/innen auf den zur Ambrosius-Kirche in Ostbevern.
Doch dieses Jahr war alles anders. Der Schulseelsorger Wolfgang Rensinghoff und die Fachschaft Religion haben im Vorfeld überlegt, wie es möglich sein könnte, auch unter Coronabedingungen der Loburger Toten zu gedenken. So startete der Schultag mit einem Video, das Wolfgang Rensinghoff aufgenommen hatte, um in das Totengedenken thematisch einzuführen. Danach gab es den Tag über für jede Klasse/ jeden Tutorkurs ein Zeitfenster, in die Loburger Kirche zu gehen, wo im Innenraum für jeden Verstorbenen eine namentliche Karte ausgelegt war, woneben eine Kerze brannte.
Auch hier wurde die traditionelle Gruppierung durch Neuerungen erweitert: Die Gruppe der Mitschülerinnen und -schülern, die während ihrer Schulzeit oder kurz danach verstorben sind, und die Gruppe der verstorbenen Mitarbeitern aus Internat und Schule waren wie jedes Jahr gebündelt. Die dritte Gruppe, die sich aus Angehörigen der Loburger zusammensetzt, die seit dem letzten Totengedenken verstorben sind, war diesmal nach den Klassen bzw. Kursen geordnet, aus denen der Gebetswunsch gemeldet wurde.
Die Schülerinnen und Schüler hatten nach einführenden Worten durch Wolfgang Rensinghoff die Möglichkeit, ein paar Minuten in Stille zu verbringen, in der Kirche herumzugehen und einzelne Karten zu betrachten oder vor dem Altar bei den Zahlen der Coronatoten innezuhalten. Ein besonderes Gedenken galt an diesem Tag dem ermordeten französischen Geschichtslehrer Samuel Paty.
Inhaltlich setzte Wolfgang Rensinghoff bei der alltäglichen Erfahrung von Totengedenken an und nutzte eine Steele, die ebenfalls in der Kirche stand, um den Schülerinne und Schülern das christliche Totengedenken begreiflicher zu machen:
„Der Everswinkler Bildhauer Stefan Lutterbeck schuf aus hochglanzpoliertem Granit diese Stele, deren oberes Ende stumpf abgeschlagen wurde. Hier wird mit Händen greifbar und spürbar: Der Tod wird einem noch so glatt und ebenmäßig verlaufenden Leben ein scheinbar jähes Ende setzen, das hart, rau und schmerzlich sein kann. Doch ließ es der Künstler nicht bei dieser brutal anmutenden Darstellung des Todes, sondern er versah den Stein mit einem kleinen, aber eindrucksvollen Zeichen, einem Gingko-Blatt. Der Gingko-Baum erwies sich nach den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki als eine Pflanze, die schon ein Jahr nach den todbringenden Ereignissen in der atomaren Wüste zu neuem Leben erwachte und junge Triebe und Blätter hervorbrachte. So wird das Gingko-Blatt als weltliches Zeichen zum Symbol der christlichen Botschaft: Das Leben ist stärker als der Tod. Hätte der Künstler in das Grabzeichen ein schlichtes Kreuz eingemeißelt, so wäre es vermutlich unter den hunderten von Kreuzen auf dem Friedhof unbeachtet geblieben. Das Gingko-Blatt hingegen lässt den Betrachter stutzen.“
Und dieses Gingkoblatt ist an der Loburg nicht nur anlässlich des Totengedenkens in der Kirche präsent, sondern auch durch den Gingkobaum, der auf dem Schulgelände wächst. So hatte Wolfgang Rensinghoff im Vorfeld Blätter des Loburger Gingkobaums gepresst und diese in die Gedenkkarten gelegt, die diejenigen mitnehmen durften, die die Namen des Verstorbenen auf die Gedenkliste gesetzt hatten.
Mit einer Karte, auf der das Symbol des Gingkoblatts zu sehen ist, verließen die Schülerinne und Schüler dieses Totengedenken, das trotz seines ungewöhnlichen Rahmens ein würde- und hoffnungsvolles Zeichen setzte.
Die Direktorin unserer Partnerschule, Collège Ste Jeanne d'Arc, in Montrouge bei Paris war von der Einbeziehung des Gedenkens an Samuel Paty in unser Totengedenken so beeindruckt, dass die für den Loburgaustausch verantwortliche Kollegin die Fotos aus der Loburger Kirche in ihrem Lehrerzimmer als Zeichen unserer freundschaftlichen Verbundenheit aushängte.
Hier weitere Impressionen: