Sozialpraktikum

Leben lernen - das kann keine theoretische Diskussi­on bleiben, sondern muss praktisch umgesetzt werden. Konkrete Erfahrungen bieten die Möglichkeit, aus der unmittelbaren Betroffenheit heraus Perspektiven zu entwickeln, die zum Schatz des eigenen Handelns wer­den. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit, die, nach den vielen positiven Erfahrungen der letzten Jahre, die Konsequenz hat, an unserer Schule verbindlich für alle Schüler der EF ein ca. 2-wöchiges Sozialprak­tikum vor den Sommerferien durchzuführen.

Mit dem Sozialpraktikum versuchen wir, vor dem Hintergrund abnehmender menschlicher Solidarität und zunehmender Gewichtung materieller Werte in unserer Gesellschaft, den Schülern eine stärkere so­ziale Sensibilität zu vermitteln. Die Ich-Bezogenheit soll abgebaut, das soziale Handeln zugunsten der Schwa­chen in unserer Gesellschaft soll gefördert werden.

Sozialpraktikum

 

Durchführung

Das Sozialpraktikum wird in Krankenhäusern, Altenheimen, Sozialstationen und Behinderten-Ein­richtungen durchgeführt, die überwiegend in katholi­scher Trägerschaft sind. Dabei besteht der Anspruch, Menschen in einem Umfeld zu erfahren, das nicht dem Erfahrungshorizont der heutigen Schülergeneration entspricht. Lokaler Schwerpunkt ist der Kreis Waren­dorf, aber auch Stellen in Münster, Greven, Bad Laer, Lengerich, Glandorf und in angrenzenden, erreichbaren Orten werden einbezogen.

Jede/r Schülerin wählt aus einer Liste von ca. 85 Praktikantenstellen denjenigen Platz für sich aus, der seinen/ihren individuellen Vorstellungen und Belast­barkeiten entspricht. Über die einzelnen Stellen und die jeweiligen Tätigkeitsbereiche werden die Schüler informiert.

Während des Praktikums fällt der Unterricht aus. Um eine optimale Betreuung des Praktikums zu ge­währleisten, ist jedem Schüler für die Zeit des Prakti­kums ein Fachlehrer zugeteilt, der ihn/sie während des Praktikums besucht und Ansprechpartner bei auftreten­den Problemen ist.

In der Jahrgangsstufe 9 und in der EF werden die Schüler in den Fächern Deutsch, Politik und Religion gezielt auf das Sozialpraktikum vorbereitet. Folgende Unterrichts­inhalte sind vorgesehen:

Deutsch: Bewerbungen, Lebenslauf und Vorstel­lungsgespräch; Analyse von Stellenanzeigen; Literatur zum Thema Arbeitswelt; Reflexion des Sozialprakti­kums.

Religion: Grenzerfahrung als Christ: Leid - Tod - Schmerz; Möglichkeiten von christlichem Engagement; Christliche Soziallehre —Solidarität — Sensiblität.

Politik: Unsere älteren Mitbürger; Generationenver­trag; Krankheit und Gesundheit prägen den Alltag der Menschen; Betriebliche Strukturen, Arbeitsrecht etc.; Entwicklungspsychologie junger behinderter Men­schen.

Nach der Zuteilung der einzelnen Stellen durch den Koordinator bewirbt sich jeder Schüler schriftlich bei seiner Praktikumsstelle mit der Bitte um ein Vorstel­lungsgespräch, um ein gegenseitiges Kennenlernen zu ermöglichen.

Der Transport zu den Praktikumsstellen erfolgt i.d. R. über die öffentlichen Verkehrsmittel. Die entstandenen Fahrtkosten werden durch den Träger erstattet.

Jede Klasse erhält eine Mappe mit allen Sozialprak­tikumsstellen und der Beschreibung der jeweiligen Tä­tigkeitsbereiche. Anschließend kann jeder Schüler zwei Wünsche äußern, die dann ausgewertet werden.

 

Praktikumsmappe

Begleitend zum Praktikum verfasst der Schüler eine Praktikumsmappe, die z.B. die Einrichtung beschreibt, über die konkrete Tätigkeit berichtet, einen selbst gewählten Schwerpunkt der Arbeit differenzierter un­tersucht und die gemachten Erfahrungen festhält. Diese Mappe erhält der/die Praktikant/in nach Einsicht des betreuenden Lehrers zurück. Sie hat Dokumentations­charakter. Die Teilnahme am Praktikum und das Erstel­len der Praktikumsmappe werden auf dem Zeugnis mit einer Bemerkung festgehalten.

 

Reflexionstage

Darüber hinaus finden unmittelbar nach dem Prak­tikum gemeinsame Reflexionstage statt, um sich über die gemachten Erfahrungen auszutauschen. Zur Refle­xion fahren die Schüler mit begleitenden Lehre­rinnen und Lehrern und externen Mitarbeitern aus der christlichen Jugendarbeit für 3 Tage zur Jugendburg Gemen. Hier zeigt sich vor dem Hintergrund konkreter Erfahrun­gen, mit welcher Offenheit und Ernsthaftigkeit Schüler in diesem Alter in der Lage sind, über existentielle Fragen zu reflektieren und eigene Lebens- und Wertvor­stellungen neu zu hinterfragen bzw. zu festigen.

Ein Rückblick auf die letzten Jahre zeigt, dass die Gesprächsmöglichkeiten für die Schüler in besonde­rem Maße notwendig sind. Das bezieht sich auf das Gespräch in der Einrichtung mit den anderen Mitar­beitern, aber auch auf das Mitteilen der Erfahrungen in der eigenen Familie, im Freundeskreis und dem be­treuenden Lehrer gegenüber. In der Reflexion ergeben sich wichtige Perspektiven für die eigene Einstellung, die durch die Anregungen, Fragen und Ergänzungen der jeweiligen Gesprächspartner zu einer bewussten Verarbeitung führen.

 

Fazit

Das Sozialpraktikum bietet Möglichkeiten, das soziale Lernen in überzeugender Weise zu erfahren. Die Schüler verlassen für eine begrenzte Zeit den relativ ge­schützten Rahmen der Schule und lernen Bereiche des Lebens kennen, die für die eigene Werteorientierung wesentliche Anstöße geben können. In der intensiven Begegnung mit anderen Menschen sind die eigenen Möglichkeiten und Grenzen erfahrbar, was letztlich eine notwendige Voraussetzung bei der Beantwortung existenzieller Sinnfragen darstellt. Gerade in diesem Punkt hat eine freie katholische Schule einen beson­deren Auftrag in einer pluralistischen Gesellschaft, die sich häufig genug durch eine zu starke Orientierungs­losigkeit auszeichnet. Das Ziel einer Schule, Schüler zu reifem, mündigem und verantwortungsbewusstem Handeln zu motivieren, kann durch dieses besondere praxis- und erfahrungsorientierte Angebot in besonde­rer Weise gefördert werden.

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Verantwortlich für die Durchführung des Sozialpraktikums an der Loburg: Rainer Kunert