Moderne Kleist-Inszenierung berührt und irritiert

05.12.2025
Stadttheater Münster (1)
Stadttheater Münster (1)

Ende November war der Deutschkurs von Herr Flothkötter im Stadttheater Münster, um die moderne Inszenierung von „Der zerbrochene Krug“ nach Heinrich von Kleist zu sehen. Der Regisseur Wilke Weermann wollte das Stück moderner wirken lassen und aus einer heutigen Sicht erzählen. Die eigentliche Handlung hat er dabei beibehalten, aber den Schwerpunkt viel stärker auf Themen gelegt, die heute eine große Rolle spielen:  Machtmissbrauch, Abhängigkeit und wie unterschiedlich Rollen von Männern und Frauen oft noch gesehen werden.

Besonders wichtig war Weermann, den sexuellen Missbrauch an Eve klarer zu zeigen. In vielen älteren Fassungen wird das eher versteckt oder nur angedeutet. In dieser Version sollte man direkt zu Anfang der Aufführung merken, dass Eve zu Beginn der Handlung schon etwas Traumatisches erlebt hat und das Dorfrichter Adam seine Macht eindeutig ausgenutzt hat. Dadurch wirkte das Stück direkt ernster und weniger wie ein klassisches Lustspiel, als das wie man es aus dem Deutschunterricht kennt.

Auch die Bühne passte gut zu dieser Idee. Statt eines gemütlichen Zimmers sah man einen kalten, fast museumsartigen Raum. Links und rechts standen zwei große weibliche Torsi, über der Bühne schwebte eine auffällige Lichtkonstruktion und in der Mitte befand sich ein Obduktionstisch mit einem integrierten Richterlautsprecher. Alles wirkte sehr kontrolliert und streng. Die Schauspieler bewegten sich fast schon mechanisch, und bevor sie miteinander sprachen, schauten sie erst auf ihre ID-Karten, als würden sie sich nicht wirklich trauen. Das hat die ganze Stimmung noch intensiver gemacht.

Für unseren Deutschkurs war dieser Theaterbesuch auf jeden Fall etwas Besonderes. Besonders eindrucksvoll war dabei, wie deutlich wurde, dass Eve im Laufe des Stücks zwar immer mutiger wurde und sich langsam traute, auszusprechen, was wirklich passiert war, am Ende aber doch wieder von den handelnden Männern zum Schweigen gebracht wurde und ihre Stimme erneut verlor.

Ein Stück, das wir sonst nur aus dem Schulbuch kennen, so neu, ernst und modern zu sehen, war beeindruckend. Die Inszenierung hat uns zum Nachdenken gebracht und gezeigt, wie aktuell ein so altes Werk eigentlich noch sein kann.

Text: Wilhelmine Kneymeyer

  Stadttheater Münster (2)